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Lüneburg 1945 – Auf der Anklagebank: Die Verantwortlichen von Bergen-Belsen

Am 18. September 1945 begann im niedersächsischen Lüneburg einer der ersten großen Kriegsverbrecherprozesse nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Vor einem britischen Militärgericht mussten sich insgesamt 45 Angeklagte für ihre Verbrechen im Konzentrationslager Bergen-Belsen sowie im KZ Auschwitz verantworten. Unter ihnen saßen zwei der prominentesten Täter in der ersten Reihe auf der Anklagebank: Josef Kramer, der Lagerkommandant von Belsen, und Dr. Fritz Klein, der verantwortliche Lagerarzt.

Josef Kramer, auch als „Die Bestie von Belsen“ bekannt, war zuvor bereits Kommandant in Auschwitz-Birkenau gewesen und galt als fanatischer Nationalsozialist, der sich loyal gegenüber dem SS-Apparat zeigte. Fritz Klein, ursprünglich Arzt aus Siebenbürgen (Rumänien), hatte in mehreren Konzentrationslagern gedient und wurde unter anderem für seine Rolle bei der Selektion von Häftlingen an der Rampe von Auschwitz berüchtigt. Beide Männer waren direkt verantwortlich für die Zustände, die in Belsen beim Eintreffen der britischen Armee im April 1945 vorgefunden wurden: Tausende Leichen, Hunger, Krankheiten, völlige Verwahrlosung – ein Ort des Grauens.

Das britische Militärgericht tagte unter großem öffentlichen Interesse. Es war einer der ersten Prozesse, in denen das Ausmaß der Verbrechen in einem Konzentrationslager dokumentiert und juristisch aufgearbeitet

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wurde. Zahlreiche Fotos, Filmaufnahmen und Zeugenaussagen – sowohl von Überlebenden als auch von ehemaligen Lagerwächtern – wurden präsentiert. Diese Dokumente wurden später auch als Beweismittel in anderen Verfahren verwendet und hatten großen Einfluss auf das internationale Verständnis der NS-Verbrechen.

Die Anklage gegen Josef Kramer und Fritz Klein lautete auf Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Es wurde ihnen vorgeworfen, an der systematischen Ermordung und Misshandlung von Häftlingen, an medizinischen Experimenten, der Verweigerung medizinischer Versorgung, sowie an aktiver Beteiligung an Massentötungen beteiligt gewesen zu sein. Die Verteidigung argumentierte – wie in vielen NS-Prozessen – mit „Befehlsnotstand“, doch das Gericht ließ diese Argumentation nicht gelten.

Besonders erschütternd war die Tatsache, dass viele der Angeklagten keinerlei Reue zeigten. Josef Kramer verteidigte sein Handeln bis zuletzt mit dem Hinweis auf militärische Befehle und sah sich selbst nicht als schuldig an den katastrophalen Zuständen im Lager. Fritz Klein wiederum rechtfertigte seine Rolle bei Selektionen mit zynischer Logik, indem er erklärte, es sei wie in der Medizin notwendig gewesen, das „kranke Glied“ vom gesunden Körper zu trennen.

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Am Ende des Prozesses, der bis Mitte November 1945 andauerte, wurden 11 der Angeklagten zum Tode durch den Strang verurteilt, darunter auch Kramer und Klein. Die Urteile wurden am 13. Dezember 1945 im Zuchthaus Hameln vollstreckt. Weitere Angeklagte erhielten langjährige Haftstrafen, einige wurden freigesprochen.

Der Lüneburger Prozess gilt als wichtiger Präzedenzfall für die internationale Strafverfolgung von Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Er war ein früher Ausdruck dessen, was später in Nürnberg systematisch fortgesetzt wurde. Vor allem aber offenbarte er in aller Deutlichkeit das Ausmaß der organisierten Brutalität und Entmenschlichung, die das NS-Lagersystem geprägt hatten.

Bis heute ist der Prozess von Lüneburg ein mahnendes Beispiel dafür, wie frühzeitig und entschlossen sich alliierte Gerichte bemühten, Gerechtigkeit für die Opfer des Holocaust herzustellen – auch wenn viele Täter unbehelligt blieben.

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