Keine Gleichbehandlung für die AfD? ARD und ZDF vor einem Kurswechsel im Umgang mit der Partei
In Wahlrunden oder Talkshows wurden immer wieder auch AfD-Vertreter eingeladen. Eine gesichert rechtsextreme Partei dürfe aber nicht normalisiert werden, heißt es nun.
Nur wenige Stunden nachdem der Verfassungsschutz die AfD bundesweit als gesichert rechtsextremistisch eingestuft hat, ist deren Parteivorsitzender schon wieder auf Sendung. Im ARD-„Brennpunkt“ darf AfD-Chef Tino Chrupalla direkt nach Bundesinnenministerin Nancy Faeser sprechen. Mehrere Minuten dauert das kontroverse Gespräch, in dem Chrupalla seine Partei wiederholt in die Opferrolle schiebt.
Es ist längst keine Seltenheit mehr, dass Politikerinnen und Politiker der AfD auf prominenten Sendeplätzen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk auftauchen. In Nachrichtensendungen wird ihre Kritik an der Regierung ausgestrahlt, in Wahlrunden wurden die Rechten eingeladen, auch in Talkshows sitzen AfD-Vertreter regelmäßig.
Mit der Höherstufung des Verfassungsschutzes müsse das ein Ende haben, fordert der Bundesvorsitzende des Deutschen Journalistenverbandes (DJV), Mika Beuster. „Spätestens jetzt muss klar sein: Redaktionen müssen ihre Berichterstattung über die Partei anpassen“, sagte Beuster dem Tagesspiegel. Zwar müsse über die AfD berichtet werden, dabei müsse aber deutlich werden, dass es sich nicht um eine normale demokratische Partei handle.
Falschaussagen und Halbwahrheiten dürfen nicht unwidersprochen in den medialen Raum gestellt werden.
Der DJV-Vorsitzende Mika Beuster forderte neue journalistische Formate für den Umgang mit der AfD.
„Positionen, Haltungen, Äußerungen dürfen nicht einfach unkommentiert neben die anderer Parteien gestellt werden“, findet Beuster. Es gehöre zur Arbeitsweise der AfD, mit Desinformation, Hass, Hetze, Häme und Angriffen den demokratischen Diskurs zu vergiften.
Trotzdem fordert Beuster kein generelles AfD-Verbot in Talkshows. Vielmehr brauche es gut ausgebildete Journalisten und neue Formate, um der AfD-Propaganda keinen Raum zu geben: „Falschaussagen und Halbwahrheiten dürfen nicht unwidersprochen in den medialen Raum gestellt werden“, sagt Beuster.
Grüne und SPD fordern Konsequenzen
Auch aus der Politik kommen Forderungen an die Sender: „ARD und ZDF haben während des Wahlkampfes häufig nicht mehr den Versuch unternommen, einen Unterschied zwischen rechtsextremen Feinden unserer Verfassung und den demokratischen Kandidaten zu machen“, sagt etwa der stellvertretende Fraktionschef der Grünen, Andreas Audretsch, dem Tagesspiegel.
Er war Wahlkampfmanager der Grünen und stört sich daran, dass AfD-Kandidatin Alice Weidel immer wieder ihre Remigrations-Pläne „ausbuchstabieren“ durfte. Die Einstufung des Verfassungsschutzes müsse nun Folgen haben, findet Audretsch: „Das sollte dem Weg der Normalisierung endlich ein Ende setzen und Anlass sein für eine kritische Reflexion, auch in den Redaktionen. Eine Gleichbehandlung darf es nicht geben.“
Ganz gleich scheinen ARD und ZDF die AfD jedoch schon jetzt nicht zu behandeln. Laut einer Statista-Erhebung, die sich mit den Talkshows „Caren Miosga“, „Hart aber fair“, „Maischberger“, „Maybrit Illner“ und „Markus Lanz“ beschäftigt, machten AfD-Politiker 2024 nur 2,6 Prozent aller Einladungen aus. Zum Vergleich: Mehr als 31 Prozent der Gäste waren im vergangenen Jahr Vertreter der Union.

© dpa/HMB Media/Uwe Koch
Helge Lindh, Kultur- und Medienpolitiker der SPD, will die Sender aus einem anderen Grund nicht in die Pflicht nehmen: „Der Bundespolitik steht es nicht zu, den staatsfernen öffentlich-rechtlichen Medien wie ARD und ZDF Vorgaben zu machen, wie sie ihre journalistische Arbeit zu leisten haben. Ihre Unabhängigkeit ist unhintergehbar“, sagte er dem Tagesspiegel.
Obwohl ARD und ZDF über die AfD berichten müssten, sieht auch Lindh einen Auftrag für die Sender. So müsse die Einstufung des Verfassungsschutzes Gegenstand der Berichterstattung sein. „Die Einstufung ist ohne Zweifel auch ein Auftrag zur Sensibilisierung und ein Denkanstoß, dass aus fachlichen und inhaltlichen Gründen eine ‚Normalisierung‘ der AfD nicht geboten ist.“
Bei der ARD will man weiter über die AfD berichten: „Da kein Parteiverbot vorliegt, wird sie weiterhin im Rahmen der politischen Berichterstattung berücksichtigt“, sagte eine Sprecherin auf Tagesspiegel-Anfrage. Einladungen in Talkshows würden die Redaktionen „eigenständig und im jeweiligen Einzelfall“ entscheiden. Man werde in der politischen Berichterstattung jedoch darauf hinweisen, dass die AfD nun als gesichert rechtsextremistisch eingestuft gelte, so die Sprecherin.
Ähnlich äußert sich ein ZDF-Sprecher: „Das ZDF hat die Einstufung der AfD durch das Bundesamt für Verfassungsschutz zur Kenntnis genommen“, sagte er dem Tagesspiegel. Eine kritische Auseinandersetzung mit der AfD sei daher weiterhin geboten. „Dennoch prüfen die ZDF-Redaktionen im Rahmen der publizistischen Verantwortung fortlaufend, in welcher Form Vertreterinnen und Vertreter der AfD im Programm zu Wort kommen.“