Nach mehrjähriger Prüfung hat der Verfassungsschutz die AfD nun als gesichert rechtsextremistisch eingestuft. Doch was heißt das überhaupt – und ist „rechtsradikal“ dasselbe wie „rechtsextrem“? Versuch einer Begriffsklärung am rechten Rand.
Wenn er Björn Höcke „so eiskalt daherreden“ höre, sagte ein entgeisterter Hendrik Wüst im vorigen Jahr, dann laufe es ihm „kalt den Rücken herunter“. Man dürfe Höcke einen „Faschisten“ nennen, fügte der nordrhein-westfälische CDU-Ministerpräsident hinzu, einen „Nazi“ also. Und wenn die prägende Figur einer Partei ein Nazi sei, urteilte Wüst, „dann ist das eine Nazipartei“.
Klar ist seit Freitag, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) die AfD nach mehrjähriger Prüfung als gesichert rechtsextremistisch eingestuft hat. Der Inlandsgeheimdienst teilte mit, der Verdacht, dass die Partei Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung verfolge, habe sich bestätigt und in wesentlichen Teilen zur Gewissheit verdichtet. Diese Bewertung hatte zuvor nur für die Landesverbände Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt gegolten.
Und doch – ist die AfD damit eine „Nazipartei“? Ist „rechtsradikal“ dasselbe wie „gesichert rechtsextrem“? Was bedeutet überhaupt „gesichert“? Was ist „rechts“? Und ist es wichtig, sprachlich präzise zu bleiben – oder ist jede Wortklauberei ganz rechts nur eine gefährliche Verharmlosung?

Ist die AfD eine „Nazipartei“? Blick auf den Bundesparteitag der Alternative für Deutschland Mitte Januar 2025 in Riesa.
Quelle: IMAGO/dts Nachrichtenagentur
Es ist kompliziert. Denn ebenso wichtig wie Fairness und Fakten sind in der politischen Debatte exakte Begrifflichkeiten. Warum? Weil diffuses Bashing („Alles Nazis!“) nur die Spaltung fördert und Trotzreflexe in der Wahlkabine begünstigt. Formale Korrektheit ist anstrengend, aber essenziell. Denn das Gefühl, pauschal als „Nazi“ abgestempelt zu werden, entfremdet viele Menschen vom demokratischen System insgesamt. An Hunderttausenden Küchentischen dürfte sich in diesen Tagen ein politischer Kulturkampf abspielen:
„Warum willst du AfD wählen? Das ist eine Nazipartei!“ – „Ist es nicht!“ – „Ist es doch! Die sind rechtsextrem!“ – „Sagt wer?“ – „Der Verfassungsschutz!“ – „Der wird doch von den Altparteien kontrolliert!“ – „Quatsch! Die AfD ist gesichert rechtsextrem!“ – „Aber keine Nazipartei!“ – „Das ist doch dasselbe!“ – „Ist es nicht!“ – „Ist es doch! Und Björn Höcke ist ein völkisch-nationaler Faschist!“ – „Was soll das denn sein?“ – „Ein Nazi!“ – „Der ist höchstens ein neurechter Populist!“ – „Das ist doch dasselbe!“ – „Ist es nicht …!“
„Die Begriffe Rechtsextremismus, Neonazis, Rechtsradikalismus werden häufig durcheinandergewirbelt“
Je missverständlicher die Vokabeln, desto leichter kann sich ein ruinöser Streit aufschaukeln. Das hat zuletzt die Corona-Zeit gezeigt, in der eine zermürbende, polemische Alarmdebatte um Impfflicht, Moral und Solidarität Familien entzweit, Freundschaften zerstört und tiefe Wunden gerissen hat – in vielen Fällen nur wegen semantischer Verschorfungen. Nun drohen neue Konflikte. Denn: „Die Begriffe Rechtsextremismus, Neonazis, Rechtsradikalismus werden häufig durcheinandergewirbelt“, sorgt sich nicht nur die Bundeszentrale für Politische Bildung (bpb). Wagen wir also den Versuch einer Begriffsklärung.
Was heißt überhaupt „rechts“? „Rechts“ bedeutet zunächst nur, rechts der Mitte im politischen Spektrum zu stehen, das seinen Ursprung in der Französischen Nationalversammlung von 1789 hat. Dort saßen die „Radikalen“ (damals die sozial-liberalen Demokraten) links und die konservativ-reaktionären Aristokraten rechts. Von Frankreich aus erfasste das Links-rechts-Schema ganz Europa. Auch im deutschen Paulskirchenparlament von 1848 saßen die republikanischen Monarchiegegner links und die konservativen Königsfreunde rechts.
„Radikale“ politische Ansichten sind nicht verboten
Und was bedeutet „radikal“? Wer „radikal“ denkt, will gesellschaftliche Fragen kompromisslos einseitig von Grund auf lösen (lat. „radix“: „Wurzel, Ursprung“). Das ist nicht verboten. „Radikale politische Auffassungen haben in unserer pluralistischen Gesellschaftsordnung ihren legitimen Platz“, urteilt die bpb. Die Gesellschaft müsse „auch exponierte, radikale rechte oder linke Auffassungen dulden“, befindet auch der Politikwissenschaftler Rudolf van Hüllen.
Die AfD jedoch gilt nicht als rechtsradikal, sondern nun als „gesichert rechtsextrem“. Es ist die nächste politische Eskalationsstufe. Rechtsradikalestellen zwar auch die Grundregeln der Gesellschaft infrage, planen aber keine totalitäre Diktatur oder ein neues Kaiserreich. Rechtsextremehingegen wollen die Demokratie abschaffen. Deshalb auch die Begründung des Verfassungsschutzes – die Partei verfolge Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung.
Die Entwicklung der AfD in Umfragen
… und die Einstufungen der Partei durch den Verfassungsschutz